Pierre und Laurent Singer sind Brüder und reden mit Enthusiasmus über das, was im Mittelpunkt ihres Berufslebens steht: den Besucherinnen und Besuchern des Wildparks Sainte-Croix zu ermöglichen, sich für einen Tag oder ein Wochenende aus dem Alltag auszuklinken, „um sich wieder im Einklang mit der Natur zu fühlen“. Ihre Geschichte wäre nicht so überzeugend, wenn es nicht auch die Geschichte ihres Vaters Gérald Singer wäre, der den Park an sie weitergegeben hat. Der visionäre Landwirt hatte schon vor allen anderen verstanden, dass das städtische Leben fernab von der Tier- und Pflanzenwelt, das in den 1960er Jahren zur Normalität wurde, nicht nachhaltig ist. Als er 1967 mit seiner Frau Liliane einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde Rhodes übernahm, wurde ihm sehr schnell klar, was er daraus machen wollte: einen Wildpark. 1980 wurde er eröffnet, der Erfolg ließ jedoch auf sich warten. Damals interessierte sich kaum jemand für Biodiversität und die lokalen Arten. Die Besucher*innen wollten Elefanten und Tiger bestaunen, stattdessen bot man ihnen Hirsche, Rehe und die im Departement Moselle heimischen Tierarten.
Für Gérald Singer war das jedoch kein Grund aufzugeben. 1986 konnte er mit der Ankunft eines Wolfrudels im Park einen ersten Erfolg feiern, aber die Kosten begannen, ihm über den Kopf zu wachsen. Damit es weitergeht, überließ er seinen Söhnen das Ruder. Die beiden Brüder haben zwar studiert – Pierre wurde Journalist und Laurent arbeitete im Finanzwesen – aber den Familientraum aufzugeben, kam für sie nicht in Frage. „Das war der Hof, auf dem wir unsere Kindheit verbrachten, das Lebenswerk unseres Vaters. Selbst wenn ihm das Wasser bis zum Hals stand, sagte er, dass wir davon leben könnten“, erzählt Pierre.
Gut 30 Jahre später haben sie es geschafft: Der Wildpark Sainte-Croix hat immer wieder Neues gewagt, blieb dabei jedoch stets seiner Grundidee treu. Heute zieht es jedes Jahr 360.000 Besucherinnen und Besucher
in den 120 Hektar großen Park, in dem rund 100 Wildtierarten mit 1.500 Tieren zu Hause sind. Seit 2010 gibt es die Möglichkeit, im Wildpark zu übernachten und in einer Lodge neben den Wölfen oder Bisons oder auch in einem Baumhaus zu schlafen. Dieses Angebot erfreut sich großer Beliebtheit. „Es gibt kein WLAN und kein Fernsehen. Wir fragen unsere Gäste nicht, ob sie gut geschlafen haben, sondern welche Geräusche sie gehört haben und ob sie genug Natur tanken konnten“, fasst Laurent zusammen. „Man kann hier sogar nachts in kleinen Gruppen spazieren gehen und statt der Wölfe dann Fledermäuse und Salamander beobachten“.
2019 wurde ein Bereich rund um die „neue Welt“ eingerichtet, in dem Tiere aus der nordamerikanischen Fauna den Horizont erweitern.
Pierre und Laurent Singer wollen ihre Besucher in Staunen versetzen, aber ihnen liegt auch die Bildung am Herzen. „Dabei geht es uns nicht um das Lernen von Fakten“, erläutert Pierre. Die Idee ist vielmehr, die Menschen zu begeistern und sie dadurch zu sensibilisieren. Denn wie überall in der Welt steht es auch in Frankreich schlecht um die Artenvielfalt. „Irgendwann haben wir begriffen, dass wir eine Oase bieten, während sich die Situation überall sonst auf der Welt verschlechtert“, führt der ältere der beiden Brüder aus. „Wir haben uns gefragt, was wir den Menschen anbieten könnten, die sich gezielt engagieren wollen. Aus diesem Grund haben wir den Stiftungsfonds Sainte-Croix Biodiversité eingerichtet“. Er wird teilweise aus den Gewinnen des Unternehmens finanziert, aber auch mit den großzügigen Spenden der Besucher, die Tierpatenschaften übernehmen. 17 Programme werden so unterstützt, davon allein zehn in der Region Grand Est.
Vor Kurzem wurden gemeinsam mit der Region Grand Est zum ersten Mal Gespräche zur Biodiversität organisiert. Bei diesen Veranstaltungen geht es um den Schutz der Wälder und der Feuchtgebiete oder auch darum, wie man am besten mit der Rückkehr der großen Raubtiere umgehen kann. „Die Natur ist vielgestaltig. Man kann sich nicht nur herauspicken, was einem gerade gefällt. Hier geht es um komplexe Systeme, die nur zusammen funktionieren; jeder Teil ist unverzichtbar“, erklärt Pierre weiter. Die beiden Brüder richten den Blick stets nach vorn und wollen künftig Mikrolandwirtschaft in ihr Angebot aufnehmen: Projekte für Gemüseanbau, Permakultur, Brotherstellung, Honigproduktion etc. „Gut für die Erde zu sorgen, bedeutet auch, gut für die Menschen zu sorgen“, betont Laurent Singer. „Auch wenn es verrückt klingt: Unser Vater wollte mit Sainte-Croix ein kleines Paradies schaffen, in dem Mensch und Natur wieder in Harmonie zusammenleben können und sich verstehen“, erklärt Pierre Singer. In etwas über 40 Jahren wurde das Märchen vielleicht nicht in allen Facetten Wirklichkeit, der Anspruch besteht aber nach wie vor uneingeschränkt.
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« Der Wildpark Sainte-Croix hat immer wieder Neues gewagt, blieb jedoch stets seiner Grundidee treu »
Pierre Singer
« Gut für die Erde zu sorgen, bedeutet auch, gut für die Menschen zu sorgen »
Laurent Singer
Pierre und Laurent Singer: Wildpark-Pioniere
„Achtsam mit der Erde und der Umwelt umzugehen, bedeutet auch, achtsam mit uns selbst zu sein!“, betonen die beiden Brüder, die glücklich sind, das Erbe ihres Vaters zu übernehmen und zum Erfolg zu führen: den Wildpark Sainte-Croix, der Natur erlebbar macht und lehrt, sie zu respektieren.
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